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Riga Hauptstadt des Jugendstils

in -Letten-Forum- 20.09.2009 15:19
von 1990 | 27 Beiträge | 27 Punkte

Riga, einzige Millionenstadt des Baltikums, verbindet hanseatisches Flair mit landestypischem Charme. Sie glänzt mit einem restaurierten Altstadt-Ensemble, das auch den Vergleich mit Salzburg nicht zu scheuen braucht. Ergänzt von einer P(B)rise Meeresluft und der dazugehörigen Weltoffenheit.
Jugendstil-Liebhaber finden in Riga ihr Paradies: Das Zentrum der größten baltischen Stadt besteht zu einem Drittel aus Bauten der glanzvollen Epoche. Die Baufreude dieser Zeit und ihre reiche Ornamentik hat Rigas Zentrum zum Unesco-Weltkulturerbe gemacht. Nicht nur die berühmten Gebäude-Ensembles des kreativsten lettischen Art-Nouveau-Architekten Michael Eisenstein in der Elisabethstraße und Albertstraße geben Fotomotiv über Fotomotiv ab. Auch in der Neustadt lässt sich manches Juwel entdecken, blicken allerorten Frauenköpfe, Löwenhäupter oder Sphingen von den Fassaden auf die Passanten herab.

Wer sich das Weltkulturerbe nicht „ergehen“ will, genießt den Anblick auf einer Fahrt mit der Retrostraßenbahn oder vom Wasser aus: Seit Kurzem kann man entweder im hundert Jahre alten Holzboot „Darling“ oder in modernen Elektrobooten die Altstadt durchqueren und auf sich wirken lassen. Die weniger romantischere Fortbewegungsalternative sind Hop-on-/Hop-off-Busse, die Riga-Besucher zu den Anziehungspunkten der Stadt bringen: zu dem metallenen Turm der Petrikirche, von dessen Aussichtsplattform sich ein Rundblick auf die Altstadt bis zur Ostsee und zum Daugava-Strom erschließt; zum Mariendom – der größten Kirche des Baltikums mit machtvoller Orgel; zum prachtvollen Schwarzhäupterhaus, in dem sich die unverheirateten Mitglieder der Kaufmannszunft trafen; zum „Katzenhaus“, dem Pulverturm, dem Rigaer Schloss und anderen touristischen Aushängeschildern.
Lebendige Szene im Herzen der Altstadt
Aber auch abseits der Sehenswürdigkeiten fällt die Originalität und Vielfalt der Bauten auf: Einzelne Wohnhäuser, Geschäfte, Lokale wollen hier ins Herz geschlossen werden – oft mit Gastgarten, Jazzband oder anderer Livemusik. Denn, Norden hin oder her, das Leben spielt sich in Lettland gern im Freien ab. Man trifft sich auf den Straßen und Plätzen der Stadt, versucht im Sommer, in einem der unzähligen Cafés der Stadt noch einen Sitzplatz draußen zu bekommen, redet und trinkt bis spät in die Nacht. Man sonnt sich am weißen Strand des Meereskurorts Jurmala (halbstündige, komfortable Zugfahrt vom Rigaer Bahnhof aus).

Oder man taucht in das kulturelle Leben der Metropole ein, besucht eine Vorstellung in einem der zwölf Theater und Opernhäuser oder eines der dreißig Museen. Manche davon bieten auch dem Touristen (speziell bei historischem Interesse) einen guten Einstieg für die Begegnung mit dieser Stadt. Das am Jugla-See gelegene Freilichtmuseum zum Beispiel lässt mit über hundert Gebäuden das bäuerliche Leben im Lettland des 19. Jahrhunderts wieder auferstehen.

Zeitgeschichte wird im Okkupationsmuseum lebendig, das – auch in deutscher Sprache – die für das Land schicksalsentscheidenden Besetzungen durch die Sowjets und Deutschen thematisiert. Als größtes „Exponat“ vermittelt eine nachgebaute Gulag-Baracke die Atmosphäre sibirischer Straflager.

Der Museumsbau wurde als schwarzer Quader umstritten mutig direkt neben die farbenfrohen Renaissancefassaden des zentralen Rathausplatzes gesetzt. Typisch für Riga vielleicht, das sich bei aller Altstadt-Schönheit nicht mit dem Zurschaustellen einer Touristen-Heile-Welt begnügen will.

Ist doch speziell die sowjetische Okkupation und die Einbürgerung der russischen Besatzer nach 1945 ein Thema, das die Stadt bis heute prägt: Stellen die Russen in Gesamt-Lettland mit knapp 40 Prozent eine – wenn auch starke – Minderheit, so machen sie im Großraum Riga den Löwenanteil der Bevölkerung aus. Sie besetzen die wichtigsten Regierungsämter und Posten in der Rigaer Stadtregierung.
Dobryj Djen – Labdien!
Kein Wunder, dass in der Hauptstadt trotz Lettisch als Amtssprache öfter das russische „Dobry djen“ als das lettische „Labdien“ zu hören ist. Die Integration der in der Hauptstadt dominanten russischen Bevölkerung ist ein latentes Problem der Stadt und eine der Prioritäten der derzeitigen Regierung.

Viel tiefer noch sind die Wunden, die die deutsche Besatzung schlug. Von ihr wurde die jüdische Gemeinde der Stadt zur Gänze ausgelöscht. Eine Tour durch das jüdische Riga konfrontiert unweigerlich mit den Gräueltaten der Nazi-Schergen – etwa bei den Ruinen der alten Synagoge, in der hundert Juden in Brand gesteckt wurden, oder an der Holocaust-Gedenkstätte im Wald von Bikernieki, wo Zehntausende von russischen, lettischen, deutschen und österreichischen Juden erschossen und verscharrt wurden – eines der dunkelsten Kapitel in der jüngeren Geschichte Lettlands. Und dennoch scheint „das Deutsche“ trotz der verheerenden Folgen der Okkupation hier einen historischen Bonus zu genießen. Waren es doch deutsche Ordensritter, die im Mittelalter im Land der baltischen Siedler wehrhafte Burgen anlegten und ihm als Ordensstaat Livland zu einer ersten Blütezeit verhalfen. Es war der Bremer Domherr Albert, der im Jahr 1201 mit einem Kreuzfahrerschiff anreiste und Riga vorausschauend am nahezu unzugänglichen Mündungsgebiet der Daugava gründete. Die prachtvollen Häuser der Hauptstadt sind deutschem Handwerk geschuldet; deutsche Kaufleute gaben der Stadt das Gepräge eines westlichen Handelsplatzes, deutsche Geistliche predigten in ihren zahlreichen Kirchen.

Spätestens bei einem Aufenthalt am Hafen, von dem mit Regelmäßigkeit Schiffe nach Lübeck ablegen, wird man immer noch ein wenig Hanse-Luft zu riechen glauben.

http://www.salzburg.com/online/lifestyle/reisen/Hauptstadt-des-Jugendstils.html?article=eGMmOI8VfvuGswh05KzHqYTNwOvnMBUUVt0dcfK&img=&text=&mode=

zuletzt bearbeitet 20.09.2009 15:20 | nach oben springen

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