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#1

Die lettische Sonne wird über der 6.folkBALTICA scheinen

in -Letten-Forum- 07.04.2010 15:23
von es
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Wer das sagt, der lügt,

Dass die Sonne nachts schläft;

Geht die Sonne dort auf,

Wo sie abends untergeht?


(Übersetzung eines lettischen
Daina-Textes auf Wikipedia.)

“Wir können vielleicht den Deutschen lehren, dass sie keine Angst haben sollen vor ihrer eigenen Tradition.” So schrieb der dänische Journalist Søren Lund in seinem Artikel über die folkBALTICA 2009. In diesem Jahr helfen neben den Dänen auch Polen, Esten, Norweger, Schweden und Finnen den Deutschen dabei. Und die Letten helfen diesmal ganz besonders, denn sie bilden den Länderschwerpunkt der 6. folkBALTICA, die von öffentlichen Trägern Schleswig-Holsteins und Dänemarks organisiert wird. Dieses Festival besteht aus 45 Veranstaltungen, die an 19 Orten in Sønderjylland-Schleswig stattfinden. Diese Europa-Region dies- und jenseits der deutsch-dänischen Grenze ist wie geschaffen für ein musikalisches Crossover über nationale Grenzen hinweg. Jens-Peter Müller und sein Team haben 85 Musikerinnen und Musiker geladen. Sie werden vom 21. bis 25. April 2010 in derart vielfältiger Weise singen, fiedeln, zupfen, trommeln und tanzen, dass dem vielleicht noch skeptischen Zuhörer die angestaubten Klischees über Volksmusik vergehen werden. Neben den Konzerten gehören Ausstellungen, Filme und Workshops zum Programm. Zudem wird die frühere lettische Staatspräsidentin und promovierte Psychologin Vaira Vīķe-Freiberga erwartet, die zum Thema “Die Sonne in der lettischen Mythologie“ im Flensburger Schifffahrtsmuseum am 24. April einen Vortrag halten wird.

Für viele Letten gehört Volksmusik zum täglichen Leben dazu. Copyright: http://www.folkbaltica.de

Die FolkBALTICA bietet ein umfangreiches Rahmenprogramm. Beispielsweise zeigt das Flensburger Schifffahrtsmuseum Exponate des Lettischen Volkskunde- und Freilichtmuseums. Copyright:www.folkbaltica.de



Die Sonne steht im Zentrum vorchristlicher Kulte des Nordens, die bis heute überliefert sind. Für die Letten bildet das Fest zur Sommer-Sonnenwende, Jāņi, den Höhepunkt des Jahres. In der Nacht vom 23. auf den 24. Juni darf kein Lette schlafen, denn in dieser Nacht feiert er die saule, die Sonne, mit Tänzen und Dainas, lettischen vierzeiligen Volksliedern, von denen viele die Verehrung der Sonne beinhalten. Das “Sonnenkonzert” am 23.04. in der Flensburger Nikolaikirche ist also bestens geeignet, lettische Musik zu präsentieren. Unter anderem wird der in seiner lettischen Heimat sehr prominente Musiker Valdis Muktupavels auftreten.
Am folgenden Abend betritt neben der skandinavischen Gruppe Frigg die ostlettische Band Patina die Bühne der dänischen Duborg Skolen in Flensburg. Die Crossover-Musiker rund um die Sängerin Biruta Ozolina werden zeigen, wie jung und modern Folk klingt, wenn er auf jazzige Art Patina ansetzt. Der geneigte Zuhörer wird dem überschwänglichen Ton zustimmen, mit dem die Konzertveranstalter diese herausragenden Musiker würdigen:

"Ja! Wir scheuen den Vergleich mit zwei Weltstars nicht, um auf diese große Entdeckung in der lettischen Schatzkiste aufmerksam zu machen: Der anmutige Folkgesang von Biruta Ozolina schwebt über den jazzigen Arrangements ihrer ausgebufften Musikerkollegen wie weiland die Stimme der brasilianischen Sängerin Astrud Gilberto im legendären Ensemble mit dem Saxophonisten Stan Getz. Und wenn ihre Band richtig groovig und funkig klingt, so dass man sich an die Gruppe „Weather Report“ des Saxophonisten Wayne Shorter erinnert fühlt, dann mag man es kaum glauben, dass alle Lieder aus der ausgesprochen reichen Volksmusiktradition der Region Latgale im äußersten Osten Lettlands entstammen. Die Kennzeichen dieses kulturellen Schmelztiegels sind die schwarzgebrannten Töpferwaren und der sogenannte „bolsi“-Gesang, den Biruta Ozolina in ihrer Heimat erforscht und an der Musik Akademie in Riga künstlerisch verfeinert hat."
Biruta Ozolina und ihre Band Patina sind ein Höhepunkt des Festivals. Copyright: http://www.folkbaltica.de



Folkmusik kennt keine Grenzen, weder musikalische, noch nationale. Das einfache Volk sang seine Lieder längst vor den Zeiten, als sie von “braunen Horden totgeschrien” wurden. So hat einmal der Liedermacher Franz Josef Degenhardt den Umgang der Nazis mit solcher Musik beklagt.

Die anonymen Lieder des Volkes besangen die Mühen des Alltags, aber auch die Wonnen des Lebens, die Bitternis der Herrschaft ebenso wie die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Gerade ein Deutscher in Riga half, den Wert dieser – den herrschenden Schichten nicht geheuren und oftmals rebellischen – Kultur zu entdecken: Der Philosoph und Theologe Johann Gottfried Herder arbeitete von 1764 bis 1769 als Aushilfslehrer an der Domschule der Stadt. Er verzeichnete die ersten lettischen Dainas und vereinigte sie zu Gedichten in seiner Lieder-Sammlung. Herder ist der erste, der den Begriff “Volkslied” benutzte.
Über die Folkmusic könnte der Deutsche zur Volksmusik zurückfinden – zu einer überraschend modern klingenden, keine Grenzüberschreitung scheuende Liedtradition, die Völker vereint, statt sie zu spalten.

http://www.lettische-presseschau.de/joom...id=351&Itemid=6

zuletzt bearbeitet 07.04.2010 15:37 | nach oben springen

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