Seid keine Torfköppe
Kirsten Brodde | 05. April 2010 18:26 Uhr
In diesem Frühjahr sehen viele Männer so aus, als planten sie, sich die Hände schmutzig zu machen. Den Ersten sah ich im Supermarkt: Er trug einen Anzug und raffte den letzten Sack Erde an sich, der zum Schnäppchenpreis zu haben war. Den Zweiten traf ich im Baumarkt: Er hatte sich 180 Liter Gartentorf auf seinen Rollwagen geladen. Nummer drei begegnete mir im Gartencenter: Er verstaute drei Gratisproben Blumenerde in seinem Auto, die zum Umtopfen der Tomaten gerade so reichen würden.
Was genau habe ich hier gesehen? Wilde Kerle? Nö. Genau: Die Eröffnung der Gartensaison. Doch bevor die Oberflächenartistik in Gärten, auf Terrassen, auf Balkonen und Fensterbänken beginnen kann, muss Erde für unten drunter angeschleppt werden. Möglichst viel und offenbar möglichst billig. Das geht erstaunlich gut.
Lebensmitteldiscounter, Drogerieketten, Baumärkte und selbst Gartencenter verramschen schon seit Jahren Blumenerde, wobei niemand so recht erklären kann, wie man zu diesem Preis damit Profit macht. Die umworbenen Käufer können mittlerweile 20-Liter-Säcke für 1,29 Euro kaufen. Die Verlockung ist also groß, zumal Markenblumenerde durchaus teuer sein kann. Aber die Billigware ist meist Müll: Sie schimmelt bereits kurz nach dem Öffnen und selbst genügsame Pflanzen kümmern darin nur so dahin. Der Grund für das spärliche Wachstum sind übrigens zu geringe Nährstoffgehalte.
Will meinen: Wer bei Erde spart, kann sich den Aufwand mit den Pflanzen sparen und gleich Kunstblumen reinrammen. Finger weg also von Billigware und hin zu Qualität. Als Faustregel gilt: Ein 20-Liter-Sack Erde darf nicht unter vier Euro kosten.
Zu Qualität gehört für mich zwingend auch ökologische Qualität. Kaum einer kennt das dreckige Geheimnis von vermeintlich harmloser Blumenerde: Die meisten Erden bestehen überwiegend aus Torf - der Stoff, aus dem die Moore sind. Soll heißen: für Blumenerde werden die Moore massakriert. Diese Feuchtgebiete sind nicht nur wertvolle Refugien für Pflanzen und Tiere, beim Abbau wird auch im Torf gebundener Kohlenstoff freigesetzt - was den Klimawandel anheizt.
Weil hierzulande der Naturschutz der Torfmafia immer öfter im Weg steht, wird die Moorzerstörung jetzt im Baltikum fortgesetzt. Ein eklatanter Teil der heute in Deutschland verwendeten Torfe kommt inzwischen aus Estland, Lettland und Litauen. En passant: Torf im Garten zu vergraben, ist deshalb wirklich eine Schnapsidee. Bodenverbesserung geht perfekt mit Kompost und Rinden.
Torf mag für einige Zwecke unersetzbar sein (medizinische Moorbäder..), für Hobbygärtner gibt es Alternativen. Es grünt nämlich auch ohne Torf, das bestätigen die Hersteller von Markenerden. Unter dem Motto: "Sei kein Torfkopp" bietet der BUND einen Einkaufsführer mit torffreien Erden. Dort sind auch Baumärkte und Gartencenter aufgelistet, die dieses Äquivalent verkaufen.
Vorsicht: Manche Torfhersteller kommen jetzt mit Bioerde herausgekrochen, um gutwilligen Käufern doch noch Torf unterzujubeln. Bio heißt also nicht automatisch torffrei. Hier gilt ebenfalls: Finger weg. Ist ein grünes No-No.
http://www.stern.de/blog/91_saubere_sach..._torfkopfe.html